Das „Karlsruher Müll-Desaster“ geht in die Verlängerung

Entsorgungsfirma „Knettenbrech + Gurdulic“ bei der Leerung der Wertstofftonnen in Durlach. Foto: cg

Entsorgungsfirma „Knettenbrech + Gurdulic“ bei der Leerung der Wertstofftonnen in Durlach. Foto: cg

Unterlegener Mitbewerber legt „Vergaberüge“ ein / Auch andere Tonnen geraten in den Fokus

Seit dem Wechsel des Wertstoff-Entsorgers häufen sich beim Thema „Müll in Karlsruhe“ in allen Stadtteilen die Beschwerden – Woche für Woche! Mit Absicht stehengelassene oder „vergessene“ Wertstofftonnen, geänderte Routen, andere Zeiten oder Hinweise auf künftige Kosten: Es läuft nicht rund mit dem neuen Unternehmen „Knettenbrech + Gurdulic“ (K+G). Von wegen, es ändere sich nichts für die Bürger! So zumindest die Ankündigung des städtischen Müllbetriebs zum Wechsel am 1. Januar. Es hat sich sehr viel geändert, so dass die Angelegenheit von Oberbürgermeister Frank Mentrup sogar zur Chefsache erklärt wurde. So haben zumindest einige Verhandlungsrunden – auch um die unterschiedliche Auffassung des Begriffs „Vollservice“ – erste Besserungen gebracht.

Um was geht es?

Knackpunkte sind unter anderem die Punkte Wegstrecke Tonne bis Fahrzeug (wie bisher), Treppenstufen mit der Tonne und Klingeln (Zeitverlust) an Häusern, die eben zu einem „Vollservice“ gehören – so die Auffassung der Stadt, aber in dieser Deutlichkeit eben nicht von „K+G“. Doch die meisten Bürger in Karlsruhe sind einen solchen Vollservice – den es übrigens in immer weniger Städten gibt – gewohnt, dass die städtische Müllabfuhr regelmäßig und zuverlässig in den vergangenen Jahren kam, mitunter klingelte (früher sogar Hausschlüssel hatte), die Tonnen aus dem Haus holte, entleerte und sie wieder zurückbrachte.

Doch „K+G“ schaute ganz genau auf die Ausschreibung, zeigte sich nicht so großzügig beim Vollservice: Keine Abholung der Tonnen bei Entfernung über 15 Metern zum Fahrzeug, keine Stufen und kein Klingeln an der Haustüre, dazu Stehenlassen bei Fehlwürfen. Mit der Folge, dass viele Haushalte nicht bedient wurden. Dazu kam noch die „ein oder andere Unkenntnis“ von örtlichen Begebenheiten – und das „Karlsruher Müll-Desaster“ war da! In gewisser Weise leider erwartbar, schließlich ist in einigen Stadtteilen die ältere Bebauung eben so, dass die Tonnen weiter weg stehen und nur über Treppen erreichbar sind – was nicht erst seit gestern so ist.

Viele Häuser müssen sich nun auf ihre Kosten eine Lösung suchen

Das Abholen der Wertstofftonnen wurde zum 1. Januar vom „Dualen System“ neu ausgeschrieben und an private oder kommunale Entsorgungsunternehmen übertragen – doch die Stadt Karlsruhe hatte sich ob der Rahmenbedingungen nicht um den Auftrag beworben, war jedoch in Sachen Erwartung, Leistungsbeschreibung und Information involviert. In der Ausschreibung kam letztlich „K+G“ zum Zuge.

Nach den ersten offensichtlichen Schwierigkeiten im Alltag trafen sich Vertreter der Stadt und des Unternehmens, gingen an die Themen Abläufe, Verlässlichkeit, Reklamationen und Interpretation des Begriffs Vollservice; verhandelten nach. „Dies führte zu einem Kompromiss“, so Oberbürgermeister Mentrup, eine Klarstellung, eine Präzisierung, „dem der Gemeinderat zustimmte“. Für über 1 Million Euro, getragen von der Stadt Karlsruhe, werden künftig Wertstofftonnen bis 27 Meter Entfernung vom Fahrzeug abgeholt, wenn auch nur maximal eine Stufe zu überwinden ist – und wenn nötig, wird auch geklingelt.

Allerdings betrifft diese Lösung noch immer nicht alle Haushalte in Karlsruhe, denn bei vielen Häusern gibt die Bebauung diese Bedingungen einfach nicht her! Dies seien aus Sicht der städtischen Müllwerker dann „kritische Stellplätze“ der Tonnen, was aber in älteren Häusern kein Wunschkonzert ist, denn diese Gebäude haben zum Beispiel vier, fünf Stufen hinauf, dann durch den Gang und die Stufen wieder im Hof zu den Tonnen hinunter! Die Masse der Tonnen dann dauerhaft vor das Haus zu stellen ist kaum umsetzbar, denn der Gehweg ist eben kein Ort für „Mülltonnen-Barrikaden“ – abgesehen vom Anblick, einer möglichen Verschmutzung und so mancher „Gestaltungssatzung“. Über 6.000 Häuser müssen sich – auf ihre Kosten – jetzt künftig eine andere Lösung zur Abholung der Wertstofftonnen suchen.

„Sollte bis Ende März geklärt sein“

„Wir sind auf einem guten Weg“, so der Tenor der Vertragspartner nach den ersten Verhandlungen, denn die Touren würden sich nach den Anlaufschwierigkeiten einpendeln und die Reklamationen wären rückläufig, dazu sei die Erreichbarkeit der Hotline verbessert worden, unterstrich „K+G“-Geschäftsführer Patric Gurdulic. Wenigstens die Masse der Haushalte sollte dann auch in diesen Wochen wieder „wie gewohnt“ bedient werden, denn „K+G“ wollte auch sachlich und personell nachrüsten, unter anderem sich für Karlsruhe drei weitere Müllautos anschaffen und jeweils drei bis vier Personen einstellen, so Gurdulic.

Die Umstellungsphase sei herausfordernd gewesen: Neues unerfahrenes Team, wenig Personal übernommen, das Gebiet musste kennengelernt werden, Personal habe Erfahrungen gesammelt: „Die Reklamationen nehmen jetzt ein gesundes Maß an. Wir sind guter Dinge, dass es jetzt geräuschlos läuft.“

Unterlegener Mitbewerber legt „Vergaberüge“ ein

Es könnte, wird es aber nicht – die Angelegenheit erhält eine neue Dimension: Denn es wird wohl noch eine Weile dauern, da waren sich Rathauschef und „K+G“-Geschäftsführer einig. Denn ein im Vergabeverfahren unterlegener Mitbewerber hat sich gemeldet – und eine „Vergaberüge“ eingereicht!

Eine missliche Situation: „Die Stadt muss nun abwarten, wie das rechtlich weitergeht“, so Mentrup und Bürgermeisterin Bettina Lisbach – und auch Gurdulic erläuterte, dass in dieser Situation sein Unternehmen nun keine weiteren Fahrzeuge anschaffe und kein weiteres Personal einstelle. Die komplexen Vorgänge zwischen Verpackungen aus dem Dualen System, Vereinbarung mit K+G, wertstoffgleiche Nichtverpackungen und Stadt Karlsruhe mit dem Vollservice lassen sich erahnen, da die „Vergaberüge“ an die Stadt ging – und nicht an den Ausschreibenden.

Das Rathaus zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass die Vergaberüge für die Stadt unwirksam sei, sieht die Präzisierung auch nicht als Leistung, die neu ausgeschrieben hätte werden müssen. Doch wie es nun weitergehe, sei nicht absehbar. Auf alle Fälle müssten viele Bürger nun weiter auf einen reibungslosen Ablauf bei der Wertstofftonnen-Abholung warten. Die Rüge bringe zwar eine Verzögerung, so Gurdulic, doch werde sich dadurch der aktuelle Zustand nicht verschlechtern.

Problematik kommt auch auf andere Mülltonnen in Karlsruhe zu

Wer einen „kritischen Stellplatz“ hat, muss sich nun selbst um eine Lösung kümmern – ob mittels eigener Kraft, Hausmeisterservice oder eines anderen Dienstleisters, der die Tonnen rausstellt und wieder an den Standort bringt, oder durch eine bauliche Veränderung. Weitere Verhandlungen für eine Lösung mit „K+G“ werde es jedenfalls nicht geben, die Aussage der Stadt war deutlich. Das dürfte aber nur der Anfang der Umstellung sein, denn es ist kaum anzunehmen, dass die Stadt Karlsruhe die Millionensumme bis zum „Sankt-Nimmerleins-Tag“ bezahlen wird!

Rauszuhören war von den städtischen Müllwerkern aber auch das Thema, dass die „kritischen Stellplätze“ der Tonnen in den über 6.000 Häusern über kurz oder lang noch eine weitere Rolle spielen werden – nicht nur für Wertstofftonnen. Denn schließlich stehen an diesen Standorten auch noch Restmüll- und Biotonnen. Diese werden aber von der Stadt abgeholt! Doch der städtische Personalrat sieht dies kritisch – nicht erst seit er weiß, dass die Konkurrenz Erleichterungen bekommen hat. Schließlich werden in immer mehr Städten die Tonnen schon rausgestellt. Auch wenn die städtische Müllabfuhr eine andere personelle Ausstattung habe, die Touren anders ausstattet und plant, dazu auch beim Gesundheitsschutz rechtlich auf der sicheren Seite sei, werde das „perspektivisch in Karlsruhe ein Thema werden“, so Oberbürgermeister Mentrup auf Durlacher.de-Nachfrage, ob Karlsruhe sich auch für die anderen Tonnen schrittweise aus der bisherigen Kultur des Vollservice zurückzieht.

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