Ob tagelang nicht abgeholt, andere Zeiten, andere Touren oder gar die Weigerung, Tonnen aus dem Hof zu holen: Der „neue“ Dienstleister sorgt für massiven Ärger in der Stadt – und die Beschwerden häufen sich. Der Wechsel des Anbieters, durch eine erfolgte Ausschreibung des „Betreibers Duale Systeme“, ging weder geräuschlos noch reibungslos über die Bühne – und hat einen deutlich vernehmbaren Nachhall!
Blamable Performance
Merkwürdig erscheint die Mitteilung von „Knettenbrech + Gurdulic“ in der vergangenen Woche (siehe „Artikel zum Thema“), immerhin ist das Unternehmen schon seit dem 1. Januar 2024 für die Leerung der Wertstofftonne in Karlsruhe verantwortlich: „Zu Beginn kann es hierbei zu leichten Verzögerungen bei der Leerung kommen, da die Fahrer die neuen Gebiete erst kennenlernen müssen.“ Zu Beginn? Wir haben aktuell das Ende des ersten Monats – aber offensichtlich haben sich die Fahrer vor dem 1.1. weder Bezirke, Touren noch örtliche Begebenheiten angeschaut.
Als ob es nicht schon reicht, setzt das Unternehmen noch einen drauf: Die Entsorgungsfirma hat in den vergangenen Tagen in einigen Stadtteilen ein Schreiben verteilt (siehe Grafik unten), in dem sie Grundstückseigentümern einen kostenpflichtigen Vollservice „anbietet“, sofern der Standplatz der Abfallbehälter nicht „satzungskonform“ sei. Dies betrifft beispielsweise Grundstücke, bei denen der Standplatz nicht ebenerdig oder über Treppenstufen zugänglich ist oder bei Standplätzen, die mehr als 15 Meter entfernt sind.
Nicht gerade wenige Häuser in der Stadt wurden in den vergangenen Jahrhunderten so erbaut: Es geht über den Gehweg zum Haus, dann drei, vier Stufen im Treppenhaus hinauf und dann wieder hinunter in den Hof, wo meist die Mülleimer stehen. Das passt „Knettenbrech + Gurdulic“ offensichtlich nicht, denn in einer Mitteilung schreibt das Unternehmen: „Transportwege dürfen keine Stufen und keine Steigungen von über fünf % haben“. Bürger sollten die Vorgaben einhalten, „andernfalls müssen wir Sie bitten, die Behälter für die Wertstoffsammlung zukünftig am Straßenrand bereitzustellen.“ Diese Ansage trifft jedoch die Masse der (älteren) Bürger, die es wohl nicht schaffen wird, die vollen Tonnen zu bewegen!
Geld wird für „Vollservice“ verlangt
Seit der Müll in den Karlsruher Häusern abgeholt wird, werden die Mülltonnen sicherlich an den aktuellen Standorten stehen, wohl seit Jahrzehnten, denn Platz – wie oft im ländlichen Raum – vor den Häusern ist in einer engen städtischen Bebauung meist nicht. Wo auch? Auf dem Gehsteig? Doch jetzt möchte das Unternehmen hier offensichtlich noch ein ordentliches Sümmchen für einen „individuellen Vollservice“. Klingt ganz nach der altbekannten Leier: Günstiges Angebot abgeben, dann diskutieren und Nachverhandlung! Einen ersten Vorgeschmack haben Bürger schon erhalten: Denn die von „Knettenbrech + Gurdulic“ aufgerufenen Preise für den „individuellen Vollservice“, den es wohlgemerkt schon seit Jahrzehnten in Karlsruhe gibt, sind happig: Gestaffelt nach Entfernung (über 15 Meter) werden für drei Tonnen ab 60 bis 140 Euro je Leerung gefordert. Je Leerung! Berechnet wird dann pro Monat, aber wenigstens mit „Energiekostenzuschlag und Maut“.
Offensichtlich gab es aber keine genauen Absprachen und Details vor der Ausschreibung, denn das Amt für Abfallwirtschaft, das sich nun „Team Sauberes Karlsruhe“ (TSK) nennt, schreibt, dass der städtische Betrieb „im Sinne des Bürgerservices sowie im Selbstverständnis eines kommunalen Dienstleisters den §11 Absatz 2 der Abfallentsorgungssatzung großzügiger handhabt“. Kurz gesagt: Darin steht, wo Abfallbehälter vom Entsorgungsunternehmen abgeholt werden. Diese „großzügigere Handhabung“ habe das „TSK“ vor allem hinsichtlich älterer Bestandsimmobilien getroffen, bei denen die baulichen Gegebenheiten nicht entsprechend sind. Leider keine Neuigkeit bei einer großflächigen Bebauung aus den vergangenen Jahrhunderten.
Doch vollmundig hatte die Stadt Karlsruhe angekündigt, dass sich für Bürger ab dem 1. Januar 2024 hinsichtlich der Wertstofftonne „nichts ändern wird“: Wo es den Vollservice gebe, werde dieser auch weiterhin angeboten – und von zusätzlichen Kosten war nie die Rede! Doch die Realität sieht leider anders aus: Die Wertstofftonnen werden an vielen Orten nicht abgeholt, Mülltüten stapeln sich daneben, ziehen Ungeziefer an – und jetzt sollen viele Haushalte auch noch zahlen für die „gebührenfreie“ Wertstofftonne. „Stadtverwaltung und ‚Team Sauberes Karlsruhe‘ sind überrascht über die Verteilung des Infoblattes und können den Unmut der Bürgerinnen und Bürger verstehen“, heißt es in einer städtischen Mitteilung: Das „TSK“ werde sich noch in dieser Woche „erneut mit ‚Knettenbrech + Gurdulic‘ zusammensetzen, um weitere Möglichkeiten für den Vollservice zu besprechen.“ Die Stadt strebe eine Lösung mit dem Unternehmen an, welche eventuell eine Einzelfallentscheidung der Bürgerinnen und Bürger überflüssig machen könnte – damit sich die Leerung künftig am gewohnten Entsorgungsstandard orientiert.
Bürgernahe Änderungen nötig
Die Beschwerden mehren sich von Tag zu Tag, werden zudem heftiger – und Besserung ist nicht wirklich in Sicht. Vor der Gemeinderatswahl am 9. Juni 2024 ist das Thema gewissermaßen Sprengstoff! Es kocht aber schon jetzt: Kein Wunder, dass die Stadt Karlsruhe massiv gegensteuern will, denn die Bürger fühlen sich alleingelassen – und sind auch über das „TSK“ verärgert, das gebetsmühlenartig betont, nicht mehr zuständig zu sein.
Doch die Folgen des „erzwungenen eingeschränkten Service“ kann man sich schon heute ausmalen: Die Zahl der Fehlwürfe wird steigen, Bürger entsorgen ihre Wertstoffe dann wohl irgendwo. Müssen die Tonnen vor das Haus auf den Gehsteig, können Passanten ihren Müll en passant loswerden, vielleicht werden die Tonnen nachts umgeworfen, dann liegt der Inhalt dann eben auf der Straße, oder – wie zuletzt leider mehrfach vorgekommen – werden Mülleimer in Brand gesetzt. Alles keine rosigen Aussichten.
Auch die „Servicenummer 115“ kommt nicht gut an
Etliche hundert verärgerte Bürger haben in der Müll-Sache die „Servicenummer 115“ angerufen, sich – nachdem sie sehr lange in der Warteschleife hingen – dann auch deutlich über den untragbaren Zustand beschwert – wohlgemerkt über das „Müll-Drama“! Aber auch die „115“ der Stadt bekommt in Sachen Bürgerservice „ihr Fett weg“: „Eine Frechheit“, „absolute Schlechtleistung“, „Ablage N“, „Das war alles mal anders“, „Erschreckend und inakzeptabel“: So ein Auszug der Kritik, die man hört und liest. „Das ist unmöglich, sie verschanzen sich hinter Bandansagen und man bekommt kaum mehr jemand ans Telefon“, so eine erboste Bürgerin. In der Tat: Wir haben den Test gemacht, wollten die seit mehreren Tagen nicht geleerte Wertstofftonne melden: „Bitte drücken Sie …“ danach „Bitte drücken Sie …“ und wieder „Bitte drücken Sie …“ Unser Anliegen wurden erst nach etlichen Minuten los – bei jemand, der aber nicht zuständig war – und nur darauf hinwies! In aller Deutlichkeit: Bürgernähe und Service ist anders. So dokumentiert die Stadt Karlsruhe nur, dass sie nicht mit ihren Bürgerinnen und Bürgern in den Dialog treten möchte, zeigt zudem, dass sie sich abschirmt und verkriecht. Eine echte „Wagenburg“-Mentalität.