Fünftes Arbeitstreffen der Gemeinderäte von Nancy und Karlsruhe

Dr. Frank Mentrup (Karlsruhe) zusammen mit Mathieu Klein (Nancy)

Oberbürgermeister von Nancy und Karlsruhe unterzeichnen gemeinsame Erklärung zu deutsch-französischen Beziehungen. Foto: Stefan Jehle / Stadt Karlsruhe, PIA

Nancy und Karlsruhe haben ihre enge Zusammenarbeit erneut bekräftigt. Beim jüngsten Arbeitstreffen in der lothringischen Partnerstadt unterzeichneten die Oberbürgermeister von Nancy und Karlsruhe, Mathieu Klein und Dr. Frank Mentrup, am Samstag, 25. März 2023, im Rathaus von Nancy eine Absichtserklärung.

Mit dieser untermauerten beide Stadtoberhäupter das weitere gemeinsame Engagement für die deutsch-französischen Beziehungen und die Städtepartnerschaft. Mit der Unterzeichnung wollen die beiden Städte das Abkommen der französischen Vereinigung des Rates der Gemeinden und Regionen Europas (AFCCRE - Association Française du Conseil des Communes et Régions d'Europe) mit Leben erfüllen. Der Austausch in Nancy bot denn auch eine Vielzahl thematischer Anknüpfungspunkte. Bei der Agenda lag der Fokus dieses Jahr auf sozialen Themen.

Am Arbeitstreffen im sechzigsten Jahr des Elysée-Vertrages nahm für Karlsruhe neben OB Mentrup, den Bürgermeistern Martin Lenz und Albert Käuflein, 27 Stadträtinnen und Stadträten sowie Amtsleitungen auch Vertretungen der Flüchtlingshilfe und Ukraine-Hilfe teil. Die rund 40-köpfige Delegation erwiderte den Besuch von Politik und Verwaltung aus Nancy im Juli 2022. Gastgeber Nancy suchte mit Oberbürgermeister Mathieu Klein, 17 Beigeordneten der Stadtverwaltung (Adjoints) sowie 16 Vertretungen aus dem Gemeinderat (Conseillers municipal) den fachlichen Austausch. Das erste von mittlerweile fünf Treffen dieser Art fand 2017 statt.

Im Mittelpunkt standen vormittags sogenannte „Leuchtturmprojekte“ aus dem sozialen Spektrum. Vorgestellt von der Karlsruher Delegation und ihren französischen Gastgebern, zeigten sie ähnliche oder auch unterschiedliche Strategien als Antworten auf aktuelle städtische Herausforderungen auf, beispielsweise bei der Politik für die ältere Generation – oder dem Umgang mit Geflüchteten.

Allen Bevölkerungsgruppen die aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen

Für OB Mentrup stehen im Mittelpunkt der „Sozialen Stadt“ die Menschen in ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit. Zentrales Anliegen der "Sozialen Stadt Karlsruhe" sei es, allen Bevölkerungsgruppen die aktive Teilhabe am gesellschaftlichen und sozialen Leben zu ermöglichen. Man verstehe sich in Karlsruhe als solidarische Stadt, die Unterschiedlichkeit berücksichtigt, Benachteiligungen identifiziert und diese ausgleichen will. Mentrup umriss ein Themenspektrum, welches von der Armutsbekämpfung über die Wohnraumakquise für wohnungslose Menschen, die Teilhabe in den Quartieren im Alter bis hin zur Willkommenskultur für Neubürgerinnen und Neubürger reichte.

Mit dem Oberbürgermeister von Nancy, Mathieu Klein, war Mentrup sich einig, dass „auch die kulturelle Freundschaft“ dem Miteinander zwischen beiden Städten diene. OB Klein sieht durch die Rückkehr des Krieges vor die Haustür Europas auch die europäische Stabilität auf die Probe gestellt: „Gerade im Grenzgebiet hat der gemeinsame Wirtschafts- und Kulturaustausch unserem Gebiet einen unvergleichlichen Reichtum verschafft.“ Auch der Rathauschef von Nancy sieht es als notwendig an, Fragen der Solidarität zu diskutieren: etwa bei der Gleichstellung der Geschlechter und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen oder im Kampf gegen Diskriminierung.

Gute Netzwerke helfen beim Umgang mit Geflüchteten

Den Nachmittag nutzten die Teilnehmenden zu Treffen mit engagierten Institutionen und deren Vertretungen aus Nancy vor Ort – das reichte vom Thema Frauenhaus, über Wohnraumbeschaffung bis hin zu Fragen der LGBT-Bewegung und dem aktuellen Umgang mit Geflüchteten aus der Ukraine.

Über die Aufnahme von und die Erfahrungen im Umgang mit Geflüchteten berichtete, als Teilnehmerin der Karlsruher Delegation aus der Zivilgesellschaft, Catherine Devaux. Schon seit den Jahren 2014 und 2015 habe man in Karlsruhe Netzwerke und Strukturen aufbauen können – die sich auch aktuell in der Ukraine-Hilfe als hilfreich erweisen. Am Nachmittag tauschten sich Karlsruher Teilnehmer mit den Nancy‘ Freunden aus bei einem Treffen mit Ukrainern. Der Beigeordnete Antoine Le Solleuz konstatierte den Karlsruhern viel Erfahrung (und mehr Kompetenzen) im Umgang mit Geflüchteten zu haben, als dies in Nancy der Fall sei. Nancy sei da weit weniger „vorbereitet“.

In zwei Punkten seien die Probleme dieselben: Zum einen beim Erlernen der Sprache. Zum anderen – weil der Aufenthalt oft länger angelegt ist – im Bemühen, die Menschen in Arbeit zu bringen. Man wolle sich weiterhin austauschen, sagte Le Solleuz und plant eine Fahrt nach Karlsruhe zu organisieren.

Gemeinderätin Lauranne Witt stellte das kommunale Projekt Frauenhaus vor, welches 2024 im Quartier Saint Denis gebaut werden soll. In den vorangegangenen zwölf Monaten seien in Nancy 1.030 Frauen Opfer häuslicher Gewalt geworden; 30 Prozent der Betroffenen seien dabei nicht zur Polizei gegangen. Der geplante Zufluchtsort soll an sieben Tagen die Woche und 24 Stunden täglich erreichbar sein. Die Gemeinderäte aus Nancy und Karlsruhe besichtigten gemeinsam den künftigen Gebäudestandort. Am Nachmittag beleuchte die Beigeordnete Patricia Daguerre-Jacque den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung am Beispiel der Stadt und des Umlands.

Sich der Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf annehmen

Für die Stadt Karlsruhe stellte Karina Langeneckert, Leiterin der Sozial- und Jugendbehörde, Projekte der „Politik für die älteren Generationen“ vor. Darunter ein Quartiersprojekt, bei dem es auch um Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf geht. Die Fachleute aus Nancy steuerten als Beispiel das „ONPA“ (Seniorenbüro Nancy) bei. Beigeordneter Marc Tennenbaum nahm als Anregung die Betreuung über Gruppen mit – in die in Karlsruhe auch ehrenamtliche Helfer eingebunden sind. Angesprochen wurde auch eine medizinische Beratungsstelle für Behinderte in Nancy.

Karlsruhes Sozialbürgermeister Martin Lenz erläuterte schließlich das 2003 gestartete Vorzeigeprojekt „Wohnraumbeschaffung“ – bei dem, mit Belegungsvereinbarung, Eigentümer leerstehenden Wohnraum zur Verfügung stellen und, zur Verwendung für Wohnsitzlose, an die Stadt vermieten. Derzeit sind in 1.151 Wohnungen rund 2.800 Personen untergebracht (siehe Artikel zum Thema). Dominika Szope, Leiterin des Kulturamts der Stadt Karlsruhe, legte zudem dar, wie man in Karlsruhe versucht, Jugendliche für Kultur zu gewinnen – und ihnen „Zugang zu verschaffen“. Erst im Januar sei ein (zeitweilig) brach liegendes „Kulturlotsenprojekt“ wieder aktiviert worden.

Karlsruher Gemeinderäte: Austausch ermöglicht, „ein Europa ohne Grenzen aktiv zu leben und zu gestalten“

Ganz im Sinne der im Kontext des Abkommens zum 60. Jahrestag des Elysée-Vertrages in Nancy unterzeichneten Erklärung sahen die Delegations-Mitglieder das Arbeitstreffen als große Chance an, ein Europa ohne Grenzen aktiv zu leben und zu gestalten. So hatte Stadtrat Raphael Fechler den jüngsten Austausch auf Arbeitsebene zusammengefasst. Für den (wieder) neu im Stadtrat eingezogen SPD-Politiker ging es beim Besuch „um den engen Austausch innerhalb Europas“. Das sei eine Möglichkeit andere Strukturen und Kulturen besser kennenzulernen.  Die Themen seien in beiden Städten ähnlich gelagert; gerade beim „sozialen Schwerpunkt“ sah er die finanziellen Spielräume gleichermaßen unter Druck.

Ähnlich bilanzierte Aljoscha Löffler (GRÜNE-Stadtrat). Für den Co-Fraktionsvorsitzenden war es die zweite Delegationsreise nach Nancy. Das Treffen „im Workshop-Format“ bietet aus seiner Sicht die Möglichkeit, „aktuelle Herausforderungen zu thematisieren und Ideen zu sammeln“. Und biete über das reine Repräsentieren hinaus den Rahmen für fachliches Miteinander und Zusammenkommen.

Für den CDU-Stadtrat Detlef Hofmann ist „eine gelebte Partnerschaft extrem wichtig, auch in Bezug auf die deutsch-französische Freundschaft“. Die Städtepartnerschaft mit Nancy sei, so Hofmann, „die wichtigste Partnerstadt für Karlsruhe“. Für ihn war es die erste Reise in die lothringische Metropole – trotz der Tatsache, dass er nun seit fast 20 Jahren Mitglied im Gemeinderat sei. Er wünsche sich „noch mehr Austausch“, und sieht die Fahrt zum Arbeitstreffen „als gelungene Sache“.

Das nächste beiderseitige Arbeitstreffen ist für das Jahr 2025 angedacht – das zugleich Jubiläumsjahr sein wird für die 1955 gebildete Städtepartnerschaft Nancy-Karlsruhe.

Weitere Informationen

Hintergründe zum Arbeitstreffen

Im Januar jährte sich zum 60. Mal der Elysée-Vertrag, der – als historischer Wendepunkt – die deutsch-französischen Beziehungen weiter vertiefen sollte. Unterzeichnet wurde er am 22. Januar 1963 von Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle. Der Vertrag war Ausdruck des Wunsches nach einem neuen Kapitel im deutsch-französischen Verhältnis, nur wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die Städtepartnerschaft Karlsruhe-Nancy: Bereits im Jahr 1955 entstanden auch zwischen Karlsruhe und Nancy partnerschaftliche Verbindungen, 1956 besuchten erstmals Delegationen der Stadtverwaltungen die jeweils andere Stadt und gaben der „Jumelage“ einen offiziellen Charakter. Die Begegnungen haben eine lange Tradition und finden bis heute regelmäßige Fortsetzungen.

Die Städtepartnerschaft Karlsruhe-Nancy ist die insgesamt erst sechste nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossene deutsch-französische Städtepartnerschaft. Noch älter sind, in Baden-Württemberg, nur die Verbindungen ins Nachbarland von Ettlingen oder Ludwigsburg. Für Karlsruhe mit seinen fünf Partnerstädten ist die Verbindung nach Nancy die älteste Städte-Beziehung. Frankreich pflegt rund 2.300 Städtepartnerschaften mit Deutschland. Diese sind zugleich die zahlreichsten und aktivsten, die jemals zwischen zwei Ländern geknüpft wurden.

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