Ausstellung "Durlach und Anderes" mit Bildern von Norbert Schnell

Mathias Tröndle - Rede zur Eröffnung der Ausstellung „Durlach und Anderes“ von Norbert Schnell im Seniorenzentrum Durlach am 29. Juni 2009

Liebe Mitglieder des Seniorenzentrums, liebe Gäste der Vernissage, lieber Norbert Schnell,

es ist jetzt bereits das dritte Mal, dass wir gemeinsam eine Ausstellung eröffnen. Wobei der Begriff gemeinsam wohl ein wenig zu hoch gegriffen ist. Die Rollen sind sehr ungleich verteilt. Du lieber Norbert, hast die ganze Arbeit, erschaffst über Jahre hinweg unermüdlich Deine Werke, Kuratorin Christa Schulte und Dein Sohn Wolfgang hängen die Bilder mit geschultem Auge in einigen schweißtreibenden Stunden wirkungsvoll ins rechte Licht - und mein Part besteht lediglich darin, bei der Vernissage in wenigen Minuten einige Worte zu verlieren.

Ob diese Worte dann treffen, Künstler und Kunst gerecht werden, oder ob sie wirklich verloren gehen, das sei einmal dahin gestellt.  Zumal sie von einem stammen, der vom Fachwissen um die Bildende Kunst so weit entfernt ist wie Benedikt der XVI. von Empfängnisverhütung oder der KSC von einem neuen Fußballstadion.

Doch ich setze mich so zu sagen im Zwei-Jahres-Rhythmus immer wieder gerne in die Nesseln. Zum einen liegt dies, meine Damen und Herren, an der persönlichen Verbundenheit zu Norbert Schnell und an der charmanten wie gleichermaßen nachdrücklichen Bitte von Christa Schulte, gefälligst den Redner zu geben. Zum anderen aber auch an meiner festen Überzeugung, dass es keines ausgesprochenen Kunstexperten bedarf, um über Kunst zu sprechen. Die Interpretation der Werke bleibt letztendlich – unabhängig von Expertenmeinung –  ohnehin dem jeweiligen Betrachter überlassen. Denn, was der Künstler, was Norbert Schnell, beim Malen, beim Radieren, beim Zeichnen, bei der Umsetzung seiner Sicht der Dinge verwirklicht hat und was wir beim Betrachten wahrnehmen, das sind weit mehr als professionelle Techniken, das sind vor allem in Form gebrachte Gefühle.

Pablo Picasso hat einmal gefordert: „Gebt mir ein Museum und ich werde es füllen!“. In einem Museum sind wir heute zwar nicht, sondern in einem Jahrhunderte alten früheren Durlacher Wirtshaus, das seit einiger Zeit dem Seniorenbüro als Domizil dient. Und heute fügt Norbert Schnell dem munteren Treiben, das hier sonst ohnehin schon die Szenerie des Alltags beherrscht, einen weiteren Farbtupfer hinzu -  mit seinen Bildern, mit seinen in Form gebrachten Gefühlen, die ganz im Sinne  Picassos die Wände mit Leben erfüllen.

Norbert Schnell zeigt uns hier zu seinem 80. Geburtstag - nachträglich herzlichen Glückwunsch - unter dem Titel „Durlach und Anderes“ einige Dutzend Bilder - als kleine Auswahl seines vielfältigen und langjährigen Schaffens. Der Durlacher Künstler ist von Hause aus eigentlich Hesse, Grafiker und Positiv Retuscheur – auf neudeutsch: Grafikdesigner. Das mit dem „Hesse“ ist dem gebürtigen Frankfurter bis heute unüberhörbar geblieben, das mit dem Grafikdesigner war sein berufliches Standbein. Und mit diesem lag der Sprung ins Lager der Künstler sozusagen auf der Hand.

Norbert Schnell ging mit sich selbst schon früh eine fruchtbare Liaison von Broterwerb und Leidenschaft ein: Er malte, zeichnete und aquarellierte, eignete sich dazu in den 80er Jahren die Kunst der Radiertechnik an, gestaltete Werke in altmeisterlicher Manier mit Kaltnadel, Strichätzung und Aquatinta.

Hochdruck, Tiefdruck, die Kombination von beiden oder Airbrush: Norbert Schnell beherrscht eine breite Palette künstlerischer Techniken. In diesen lässt er immer wieder, verbunden mit exzellentem handwerklichem Können, mit Inspiration und Kreativität Arbeiten von erstaunlicher Vielfalt entstehen.

Dies hat sich natürlich herumgesprochen. Mit der im Jahre 1986 gegründeten Gruppe „Griffelkünstler“ oder in Einzelausstellungen zeigte er seine Werke an vielen Orten des badischen Landes und über dessen Grenzen hinaus. Seine bevorzugten Motive sind Landschaften, städtebauliche Ansichten, Pflanzen, aber auch Studien des Menschen und seiner Ausdrucksformen.

Meine Damen und Herren, hier im Seniorenbüro präsentiert Norbert Schnell jetzt Ausschnitte seines Schaffens in drei Teilen, die sich dann wieder zum Ganzen fügen. Der eine Flügel seines Tryptychons kreist um das Thema, das wir Dorlacher und die Legionen assimilierter Migranten, die sich als „Duulacher“ bezeichnen, gerne als den Mittelpunkt des Universums sehen. Nämlich um Durlach selbst.

Die Bilder sind Teile der Ausstellung „Durlach einmal anders“, die Norbert Schnell hier vor zwei Jahren zeigte. Warum anders?, wird sich der Eine oder die Andere sicherlich fragen. Die Bilder sprechen an, sie sind stimmig in Komposition, in Farbgebung, ausgereift in Technik und künstlerischem Handwerkgeben, spiegeln beeindruckend Gebäude, Ensembles, Szenen aus Durlach wider. Warum anders? Dies zu ergründen, bedarf es schon des zweiten Blicks. Denn die hier gezeigten Gemälde, Zeichnungen, Radierungen sind gleich in doppeltem Sinne anders. Zum Einen in der Ausführung: Norbert Schnell fertigte einen Teil der Werke in zwei verschiedenen Techniken. Er kombinierte Aquatinta mit Aquarell oder auch eine ausgefeilte Prägetechnik wiederum mit Aquarell. Das ist anders, das kennen wir von den vielen bekannten Durlach-Gemälden so nicht.

Und wenn wir genau hinsehen, dann kennen wir darüber hinaus die Komposition mancher Bilder aus der Realität so nicht. Es ist nicht alles an Ort und Stelle, dort wo es eigentlich hingehört. Die Verfremdungen seines künstlerischen Blicks herauszufinden und mit dem Original zu spiegeln, dazu lädt Sie, meine Damen und Herren,  Norbert Schnell natürlich herzlich ein.

In der zweiten Hälfte der Ausstellung sehen wir hier vorne dann den zweiten Teil des Titels, nämlich „und Anderes“. Und das ist wiederum unterteilt. Mit „Erotische Früchte“ oder „Träume aus dem Schrebergarten“ könnte man wohl etwas despektierlich die in Aquarell- und Mischtechnik in den beiden vergangenen Jahren entstandenen Bilder überschreiben. Der knallrote Paprika, Ananas, Artischocke oder Apfel: Sämtliche Früchte setzten sich in einen Corpus fort, nehmen die Rundungen weiblicher Gesäßformen auf und enden unter den strammen Oberschenkel in schwarzen Stiefeln. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt – auf alle Fälle zeigt die Symbiose von Frau und Frucht Wirkung. Das Spätwerk von Norbert Schnell wirkt erfrischend, jung und voller Leben, einfach befruchtend.

Als Pendant gegenüber sind die zarteren Linien zu Hause, löst der Bleistift den Pinsel ab. Zu sehen sind hier Zeichnungen aus dem Tagebuch von Norbert Schnell, die er 2004 nach seinem Schlaganfall aus seinem persönlichen Empfinden heraus fertigte. Die Themen Auge und Glas ziehen sich durch die Blätter, aber auch Porträts spielen eine wichtige Rolle.

Meine Damen und Herren, ich habe es eingangs bereits gesagt:  Was Norbert Schnell, beim Malen, beim Zeichnen, bei der Umsetzung  seiner Sicht der Dinge und aus seiner Lebenserfahrung verwirklicht hat und was wir beim Betrachten wahrnehmen, das sind weit mehr als professionelle Techniken, das sind vor allem in Form gebrachte Gefühle. Und um Gefühle zu beschreiben, dazu braucht es keinen Kunstexperten. Da ist der mit seinen oft verkopften Interpretationen am falschen Platz.  Bei Gefühlen ist jeder Mensch auf seine Art selbst Experte.

Ich bin mir sicher: Die Bilder, die jetzt das Seniorenbüro beleben, sind im wahrsten Sinne des Wortes ansprechend. Sie können und wollen in einen Dialog mit uns treten. Und so kann ich für den Rundgang  durch die Ausstellung von Norbert Schnell nur empfehlen: „ Gehen Sie mit den Bildern spazieren, lassen Sie  sich von ihnen ansprechen, lassen Sie sich auf das Gespräch mit ihnen ein und erforschen Sie dabei Ihre eigenen Gefühle. Dann findet Sie selbst die Antworten auf Ihre Fragen und Ihre eigenen Interpretationen.“ Und wenn dann noch Restzweifel bestehen, so können Sie diese im Gespräch mit dem Künstler ausräumen.

Bevor ich jetzt den Platz räume, meinen Monolog beende und den Dialog mit Kunst und Künstler eröffne, möchte ich noch eine kleine Anekdote aus dem Leben von Carl Spitzweg erzählen. Als der Maler des armen Poeten noch selbst ein armer Künstler war soll sich Folgendes zugetragen haben. Ein Mann kam ins Atelier Spitzwegs, blieb vor einem Bild besonders lange stehen und sagte: „Das Bild ist herrlich – ich kann mich nicht satt daran sehen.“ Darauf Spitzweg: „Ich mich auch nicht – darum möchte ich es ja gerne verkaufen.“

Der Hinweis aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ist auch heute brandaktuell. Wer sich am einen oder anderen Bild von Norbert Schnell nicht satt sehen kann, der kann es auch gefälligst kaufen. Hier und heute. Oder mit ihm oder Christa Schulte einen Termin vereinbaren. Und jetzt kann ich Sie nur noch auffordern, in den Dialog mit den hier hängenden Bildern einzutreten. Aber auch mit Norbert Schnell selbst.

Und ganz ans Ende meiner dürren Worte will ich einen Satz des Malers Max Ernst stellen, der einst wetterte: „Kunst hat mit Geschmack nicht zu tun. Kunst ist nicht da, dass man sie schmecke.“ Da hatte er Recht. Zum Sich-schmecken-lassen gibt es andere Dinge. Kulinarische Köstlichkeiten und Getränke etwa. Beides ist ausreichlich vorhanden. Kunst trifft hier auf Lebenskunst. In diesem Sinne sind jetzt Ausstellung und Büfett eröffnet.

Mathias Tröndle | 29. Juni 2009

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Weitere Informationen

Seniorenbüro Durlach e.V. auf Durlacher.de

Wo, Wann und wie lange

Seniorenzentrum Durlach
(Bienleinstorstr. 22 / Ecke Spitalstr.)
Öffnungszeiten
Mittwoch bis Freitag, 15-17 Uhr
Dauer der Ausstellung
bis etwa Mitte September 2009