Anlass für das Verfahren sind die Pläne der Firma Dr. Wilmar Schwabe, den westlichen Teil des Areals der ehemaligen Badischen Maschinenfabrik Durlach (BMD) entlang Pforzheimer Straße und Pfinzstraße neu zu gestalten (siehe Artikel zum Thema). Angestrebt wird mit dem Entwurf des Büros „Steidle Architekten“ aus München eine Nutzungsmischung aus Gewerbe, Dienstleistung und Wohnen sowie ergänzende Nutzungen wie beispielsweise Kita und Einzelhandel. Bestehende Hallen, das alte Kesselhaus und andere Bestandsgebäude sollen in das neue Konzept integriert und umgenutzt, aber auch ein „Hochpunkt“ sowie Wohnriegel neu gebaut werden.
„Ich verspreche, dass es ein sehr spannendes Areal wird, wo man sich begegnen wird“, so Karlsruhes Baubürgermeister Daniel Fluhrer gleich zu Beginn der Versammlung. Die Planungen seien schon sehr weit, gemeinsam mit der Öffentlichkeit gehe es nun um den „Feinschliff“. Dazu war das Stadtplanungsamt mit voller „Mannschaftsstärke“ nach Durlach gekommen – für Ortsvorsteherin Alexandra Ries ein Zeichen der Wertschätzung. Denn beim ehemaligen BMD-Gelände handle es sich um „eine bedeutende Stelle mit bedeutender Geschichte“ für die Markgrafenstadt. „Unser aller Hoffnung: auch mit bedeutender Zukunft“, so Ries. Dass das die Durlacher Bürgerinnen und Bürger genauso sehen, zeigte der gut gefüllte Saal.
150 Wohnungen sollen entstehen
Im Vergleich zum ersten Entwurf habe man einige Hausaufgaben gemacht, so Johannes Ernst von
„Steidle Architekten“. Nicht nur Form und Volumen sei bei der Planung wichtig, sondern vor allem die Art der Nutzung. Als Beispiel führte er die Transformation des ehemaligen „Pfanni“-Geländes in München an. So soll auch in Durlach eine „Nutzungsmischung mit städtischen Freiräumen“ entstehen: „Ein informelles Durchfließen von Räumen“, so Ernst. Im Kernbereich mit Büro und Gewerbe, entlang der Pfinzstraße mit Fokus auf Wohnraum – insgesamt sind 150 Wohneinheiten geplant, davon ein Drittel gefördert. Eine kleinteilige Nutzung im Erdgeschoss durch Gastronomie und Einzelhandel sollen das Areal beleben, Entsiegelung von Flächen und ein „anspruchsvolles“ Energiekonzept auf Basis eines „kalten Nahwärmenetzes“ zum Klimaschutz beitragen.
Kritik an „Hochpunkt“
Drei Realisierungsabschnitte sind geplant: „Halle 3“, „Pfinzstraße“ und „Hochpunkt“. Man könnte den zuletzt genannten Abschnitt auch unmissverständlich „Hochhaus“ nennen. Stattdessen wird von den Planern von einer „Landmarke“ gesprochen, die es nach Sichtfeld-Analyse und Workshop städtischer Gremien auf eine zur Umgebung vergleichsweise imposante Höhe von 58 Metern bringen soll. 17 Stockwerke in direkter Nachbarschaft zur historischen Durlacher Altstadt.
Um eine Vorstellung der Dimension zu erhalten, wurden verschiedene Visualisierungen dem Publikum präsentiert: von der Durlacher Allee aus, vom Stachus aus – am eindrucksvollsten offenbarte sich allerdings der Blick vom Turmberg hinab (siehe Grafik). Ein Anblick, der jedem Durlacher und jeder Durlacherin vertraut ist und wie folgt in der Gestaltungssatzung hervorgehoben wird: „Die in der Altstadt erlebbare, hohe städtebauliche Qualität entsteht aus den Besonderheiten des öffentlichen Verkehrsraums mit seinem charakteristischen Kreuz- und Ringstraßensystem mit unterschiedlich dimensionierten Platzräumen, aber auch aus den fernwirksamen Sichtbezügen zu den Kirchtürmen, zum Rathausturm und zum Turmberg. Auch der Blick zurück vom Turmberg auf die Straßen- und Dachlandschaft der Altstadt erschließt die Besonderheit der ehemaligen Markgrafenstadt.“ Ziel der Gestaltungssatzung ist es, diese „unverwechselbare Identität“ der Altstadt zu erhalten. Auch wenn das BMD-Areal außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs liegt, schließt die Zone C („Stadterweiterung“) direkt daran an.
Zwar soll durch ein Architektur-Wettbewerb für das Hochhaus sichergestellt werden, dass dieses „zu Durlach auch passt“, so Ernst in der anschließenden Diskussion. Bewusst habe man sich nach intensiven Gestaltungsrunden gegen eine Platzierung des Turms direkt an der Hauptachse – aus Richtung Karlsruhe kommend – entschieden. Auf keinen Fall wolle man eine Konkurrenz zum historischen Stadteingang mit Blick auf Stadtkirche, Rathaus und Turmberg bilden. Ortschaftsrätin Anna Frey (DIE LINKE), die ebenfalls im Publikum saß, sieht dies anders: „Sie nehmen sich heraus, die Identität für den Stadteingang zu setzen, warum?“ Und auch Hildegund Brandenburg, selbst Architektin und ehemaliges Mitglied des Ortschaftsrats, stellte nach Lob für die allgemeinen Überlegungen zur Neugestaltung des Geländes die zentrale Frage, die viele im Publikum bewegte: „Warum ein Hochhaus?“ – es sei einfach nicht passend für Durlach, so Brandenburg.
Baubürgermeister Fluhrer wirbt für Turm
Anders sieht dies Baubürgermeister Fluhrer, der für die hohe Variante ausdrücklich wirbt. Karlsruhe habe deutliche Defizite an Wohnraum. Will man keine weiteren Flächen versiegeln, bliebe nur der Weg in die Höhe. Man wolle hier die Qualität mit dem Höhenentwicklungsplan gezielt steuern: „es wird teuer, aber auch besonders.“ Ortsvorsteherin Ries blieb zurückhaltend, betonte aber, dass Transformationsprozesse wie beispielsweise im Falle der RaumFabrik Durlach gut getan hätten. Traditionell sei es zwischen Altstadt und Industriebetrieben ein Miteinander: Eine Gesellschaft könne mit Blick auf die zusätzliche Kaufkraft hier auch profitieren, ob durch Gastronomie oder Einzelhandel.
Aber es wurde aus dem Publikum mit Blick auf Leerstand in der Altstadt auch angemerkt, ob Bedarf für neue Gewerbeflächen überhaupt bestehen würde. Bei all den Kritikpunkten betonte die Verwaltung, dass man der Firma Schwabe nicht vorwerfen könne, „überkapitalisiert“ zu denken. Denn möglich wären an dieser Stelle laut Planungsrecht auch 5-geschössige Bürogebäude, so Fluhrer. Stattdessen soll „eine sehr spezifische und für Durlach gewinnbringende Bebauung“ entstehen, hielt Arno Klemm, bei der „Schwabe“-Gruppe für Technik, Bau und Logistik verantwortlich, fest. In der Tat erhielt er für die Hochhaus-Pläne auch Zustimmung von einem Bürger, der den Turm durchaus als gelungenen Gegenpunkt zum Turmberg sieht.
Fachgutachten
Nach intensivem Austausch zum „Hochpunkt“ informierte Stadtplaner Markus Lang vom Büro „Astoc Architects and Planners GmbH“ die Anwesenden zu den einzelnen Fachgutachten. Dabei ging es um Artenschutz (Brutvögel, Fledermäuse), bestehende Altlasten, Geruchsbelästigung durch die benachbarte Produktion von „Schwabe“, um die Verschattungssituation für umliegende Wohnungen, Schall und Mikroklima (Wärmebelastung, Windkomfort) und nicht zuletzt um den Verkehr in diesem Bereich. All das fließe in Summe in den Bebauungsplan mit ein.
Anwohner: Pfinzstraße schon jetzt überlastet
Für Details zum letztgenannten Gutachten gab Verkehrsplaner Andreas Holder vom Ingenieurbüro „Koehler & Leutwein“ Auskunft. Entscheidend sei hierfür der werktägliche Verkehr und der Spitzenwert. In Summe gehen die Planer davon aus, dass ca. 550 Arbeiter und 300 Bewohner zusätzlich für das neu entstehende Gebiet einzurechnen seien. Die Datensammlung wäre sehr präzise, so Holder. Laut Berechnungen würden die beiden Zufahrten über Pfinzstraße im Norden und Pfinztalstraße im Süden weiterhin völlig ausreichen. Bestnoten für die beiden Knotenpunkte: „Qualitätsstufe A“, so das Ergebnis. Die Zunahme von 4 Prozent seien dabei im Bereich der täglichen Schwankungen, ein Kollaps nicht zu erwarten.
Völlig anders werteten anwesende Anwohnerinnen und Anwohner bereits die heutige Situation im Bereich Pforzheimer Straße und insbesondere Pfinzstraße. So sei diese in Spitzenzeiten durch parkende Autos mitunter nur noch schwer befahrbar. Gefährliche Situationen seien auf der wichtigen Ost-West-Verbindung an der Tagesordnung, die Lärmbelastung trotz Absenkung auf Tempo 30 extrem belastend. Man müsse auf die Pfinzstraße und auf die bereits problematische Verkehrssituation die Lupe legen, bemerkte auch die Ortsvorsteherin. Auch mit Blick auf ein neues Verkehrskonzept für die Altstadt, das aktuell im Entstehen ist und im September erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll, sei es „umso wichtiger, dass diese Punkte eingearbeitet“ würden, so Ries. Sonst sei es nur ein Ärgernis. Zur Diskussion stehe hierbei, dass zukünftig der Altstadtring nur noch über die Lederstraße anfahrbar sei – eine weitere große zusätzliche Belastung für die Pfinzstraße und ihre Bewohner.
Zu bemerken ist außerdem, dass das Mobilitätskonzept für das BMD-Areal zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausgearbeitet ist. Welche Verkehrsmittel vermutlich genutzt werden, wie viele Parkplätze benötigt werden – alles Fragen, die noch vage beantwortet werden können. Sogar die Idee eines autofreien Areals wurde aus dem Publikum eingebracht. Integrierte Parkplätze im Wohnriegel sind beispielsweise geplant.