Ausstellungstext
Sträuben
Ich sträube mich, ich zappel, schüttel, ziehe, zerre
Will? Muss, mich befreien
Ich will da nicht rein. Reinpassen.
Wir müssen los, los!
Zieht, zerrt, zappelt, rüttelt
Da wo ihr feststeckt
Mit Erfolg gesträubt
Mit Erfolg belohnt
Wofür? Wogegen? Womit?
Es ist ein Stolpern, ein hängen bleiben, eine Konfrontation mit einem Gegenüber. Nicht immer bewusst, oft im Hintergrund. Sich immer und immer wiederholend. – Es ist ein metaphorisches Stolpern an Dingen, die man nicht angeht. Eine alltägliche Reibung mit dem eigenen Selbst.
Sich gegen etwas zu sträuben bedeutet gegen etwas anzukämpfen. Man sträubt sich, kehrt sich ab und wendet sich damit einem Gegenpol zu. Es ist die Angst davor, sich Neuem zu öffnen.
So sträubt sich das Pferd vor dem Hürdensprung und der Bäcker vor dem Aufstehen, die Mutter vor dem Loslassen und der Apfelbaum vor dem Blühen. Überwindungen finden statt. Es ist ein laufender Kreislauf, den wir vermeiden wollen, obwohl das Hadern mit einem Thema, die Auseinandersetzung und das Ziehen stetig auftauchen.
Dabei liegt in dem konfrontierenden Moment, dem Hadern das Potenzial der Produktivität. Durch die Möglichkeit der Entscheidung finden wir uns in diesem Augenblick zwischen dem Zu- und dem Abwenden wieder. In der Verortung zwischen der Angst vor der Zuwendung, und dem Schritt in die Konfrontation. Die Triebe sprießen lassen, die Decke zur Seite schlagen.
So kann das innere Sträuben, scheinbar unproduktiv, doch ein wichtiges Dagegen markieren, das zu äußerer, lauter Auflehnung werden kann. Wenn wir erkennen, dass sich das Sträuben nicht gegen das eigene Ich, sondern ein bestimmtes Außen richtet, lässt es uns über eigene Standpunkte bewusst werden. Sträuben ist ein energievoller Akt. Wir sträuben uns still verdrossen, aufmüpfig, laut. Im Innen, im Außen. Da wo es sich sträubt, sich die Haare aufrichten, betonen wir einen Moment der Auflehnung, des Gegenpositionierens. Eine Konfrontation mit dem eigenen Ich oder dem politischen Ganzen. Sträuben ist ein hadernder Moment auf dem drei Meter Turm – der Entscheidungspunkt, ob man die Leiter oder die Luft nach unten nimmt.
In der Ausstellung SAY THE STUPID THOUGHT wollen wir es wagen, uns dem Sträuben zu stellen. Dabei werden wir in unserer individuellen Praxis miteinander in Berührung treten, in gemeinsamen Gesprächen auf die Suche gehen. Überlappungen werden aufgespürt und Reibungen festgehalten. Dabei werden wir unsere künstlerischen Positionen in den Räumen der Orgelfabrik miteinander verweben. Woran sträuben wir uns? Wogegen sträuben wir uns?
Eine Widmung den sträubenden Themen, die uns von Anfang an begleitet haben und wie Wasserbälle nach unten gedrückt wurden.
Auseinandersetzungen mit den Dimensionen des Sträubens, die Besucherinnen sich sträuben lassen. Wir werden in Verweigerungen treten und Verweigerungen auflösen. Dabei baut sich ein Spannungsfeld zwischen unseren sieben Künstlerinnenpostionen auf, das sich malerisch, bildhauerisch, installativ und performativ mit dem Themenkomplex des Sträubens auseinandersetzt.