Wenn Diakon Daniel Paulus auf der umgebauten Empore der Kleinen Kirche seinen Laptop aufklappt, kann er sich aussuchen, wo er für die nächsten Stunden arbeitet. Ob auf der Couch, an einem Schreibtisch, auf der Kirchenbank, am Stehtisch oder doch lieber im Lounge-Bereich. Denn die Empore, die für gemeindliche Zwecke eher selten genutzt wurde, ist zum Co-Workingspace erweitert worden. Sieben mobile Arbeitsorte sind auf diese Weise entstanden.
„Ich wollte schon immer einen Co-Workingspace in einer Kirche betreiben“, erklärt der 43-Jährige. Vor drei Jahren hat er in den Gemeinderäumen der Alt- und Mittelstadtgemeinde, zu der auch die Kleine Kirche gehört, in der Kreuzstraße bereits seinen ersten Co-Workingspace eröffnet. Hier kommen vor allem junge Unternehmer und Start-ups zusammen, die im Wertehorizont von Kirche aktiv sind: denen Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und Gerechtigkeit wichtig sind. Diakon Paulus steht ihnen als Ansprechpartner auch für persönliche Gespräche zur Seite. Jetzt folgt sein zweiter Co-Workingspace in unmittelbarer Nachbarschaft, dieses Mal direkt in der Kirche.
Co-Workingspaces in Kirchen, die nicht mehr als Gottesdienstort genutzt werden, gibt es einige. Eher selten – wenn nicht sogar deutschlandweit einzigartig – ist hingegen ein Co-Workingspace in einem aktiv genutzten Gottesdienstraum. Wie dem in der Kleinen Kirche.
Die Kleine Kirche ist die älteste noch bestehende Kirche in Karlsruhe. Mit ihrer besonders guten Lage in der Kaiserstraße, und nur wenige Meter vom Karlsruher Marktplatz entfernt, ist sie ein Ort, wo Menschen Ruhe, Rückzug und innere Einkehr finden können, sie ist auch ein besonderer Raum für geistliche und kulturelle Veranstaltungen, hier geben z.B. freitags Studenten der Hochschule für Musik ihre Mittagskonzerte.
Die Idee, die Kleine Kirche um einen Co-Workingspace zu erweitern, stammt vom „Quartiersimpuls Kleine Kirche“ des Projekts „City-Transformation“ der Stadt Karlsruhe, der bereits den Vorplatz der Kleinen Kirche zu einem lebendigen Treffpunkt und Veranstaltungsort umfunktioniert.
„Co-Churching“
Claudia Rauch, Pfarrerin der Alt- und Mittelstadtgemeinde, nennt das Projekt in der Kleinen Kirche „Co-Churching“ – weil die Kirche weiterhin genutzt und der Raum als Kirche erkennbar bleibt. „Oben kann man in einer besonderen Atmosphäre arbeiten, unten können Besucherinnen und Besucher eine Kerze anzünden, beten oder einfach zur Ruhe kommen“, erklärt sie. Dieses Miteinander von Kontemplation und Arbeitswelt erinnert die Theologin an das „Ora et Labora“, eine seit dem Spätmittelalter bekannte Lebensweise, in dem Beten und Arbeiten zusammengehören. Außerdem bietet dieses Projekt der Gemeinde die Möglichkeit, die Kirche länger offen lassen zu können.
Für die Innenausstattung konnte die Karlsruher Firma Feco als Spezialist für Büroeinrichtungen und flexible Raumlösungen gewonnen werden, die einige Exponate aus ihrem Bestand zur Verfügung gestellt haben. „Wer durch die Kirchentür eintritt, erlebt in der Kirche einen Ort mit Ausstrahlung, einen Raum für Kontemplation und der Begegnung. Uns war wichtig, die Arbeitsorte funktional und einladend zu gestalten“, sagte Corona Feederle, Geschäftsführerin der Firma Feco. Geplant und umgesetzt hat das Projekt Feco-Innenarchitektin Stefanie Ranko.
Claudia Rauch freut sich, dass auch die alte Kirchenbank, die bereits auf der Empore stand, in das Ensemble integriert werden konnte. Auch an Grün wurde gedacht. Die Pflanzen kommen vom Gartenbauamt der Stadt Karlsruhe.
Das mobile Arbeiten in der Kleinen Kirche ist eingerichtet, das WLAN funktioniert. Das „Slow-Opening“ hat begonnen. Wer kommen möchte, kann gerne zu den Zeiten der offenen Kirche kommen, werktags von 9 bis 16 Uhr.