Der Spitzenwert ist beeindruckend, aber in der Breite gibt es wenig Bewegung. Auf diesen Nenner lässt sich der Immobilienmarktbericht 2020 bringen, den der Gutachterausschuss für die Ermittlung von Grundstückswerten nun vorgelegt hat. Dieser Bericht weist beim gesamten Wertumsatz stolze 1,42 Milliarden Euro aus, was nicht nur einen enormen Zuwachs von mehr als 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet, sondern sogar einen absoluten Höchststand. "Allerdings gilt es zu berücksichtigen", betont Dr. Michael Mürle, Vorsitzender des Karlsruher Gutachterausschusses, "dass hierfür umsatzstarke Verkäufe von wenigen großen Wirtschaftsimmobilien ausschlaggebend waren". Weitaus weniger spektakulär sieht dagegen die zweite wichtige Zahl in dem Bericht aus, den die Expertinnen und Experten des Gutachterausschusses aus allen ihnen vorliegenden Kaufverträgen herausgefiltert haben: Gerade einmal zwei Prozent betrug der Zuwachs bei der Summe aller Kauffälle, so dass diese mit insgesamt 2.418 Verkäufen weiterhin deutlich unter den Werten liegt, wie sie beispielsweise noch vor zehn Jahren verzeichnet wurden.
Quadratmeter-Preise für Eigentumswohnungen in zehn Jahren verdoppelt
"Die Entwicklung des Angebots kann mit der Nachfrage nicht Schritt halten", bilanziert Rüdiger Huck, Leiter der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses, "daher geht die Preisentwicklung weiter nach oben". Ein Blick auf einige wichtige Schlüsselzahlen belegt dies. Greift man den Vergleichswert für eine 70 Quadratmeter große Eigentumswohnung der Baujahrsklasse 1950 bis 1974 heraus, stellt man eine Steigerung von über elf Prozent auf nunmehr 3.240 Euro pro Quadratmeter fest. Innerhalb der letzten zehn Jahre haben sich damit die Preise mehr als verdoppelt, bei eher stagnierendem Angebot. Ein Plus von ganzen neun Kauffällen wurde im Segment Wohnungs- und Teileigentum gegenüber dem Vorjahr verzeichnet, wobei die Wiederverkäufe noch einigermaßen das Niveau halten konnten, während die Zahl der Erstverkäufe um 18 Prozent gesunken ist.
Nach oben zeigt die Kurve bei den bebauten Wohngrundstücken, also etwa bei Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern. "Hier haben wir eine Preisentwicklung gegenüber dem Vorjahr um rund fünf Prozent festgestellt", erläutert Hucks Stellvertreter Marc-Simon Vetter. Somit kostet ein gebrauchtes Ein- oder Zweifamilienhaus im Schnitt jetzt rund 640.000 Euro und ein Reihenmittelhaus gibt es für durchschnittlich 485.000 Euro. Während die Zahl der Kauffälle bei bebauten Grundstücken von 586 auf 643 zugelegt hat, "bleibt der Handel mit unbebauten Grundstücken aufgrund des geringen Angebots weiterhin gering", sagt Vetter. Nur noch 94 Bauflächen für Wohnhäuser wechselten den Besitzer, wobei das knappe Angebot auch Auswirkungen auf die Preisentwicklung hatte. Nach einer zwischenzeitlichen Beruhigung nahm diese mit einem Plus von 8,2 Prozent nun wieder deutlich an Fahrt auf. "In Zeiten von angespannten Märkten ist unsere Aufgabe wichtiger denn je", verdeutlicht daher Dr. Michael Mürle. Für Kauf- oder Bauwillige stelle der Immobilienbericht mit seinen übersichtlichen und komprimierten Darstellungen eine wertvolle Orientierungshilfe dar. So wird beispielsweise auf den ersten Blick deutlich, dass der Preis von knapp 2,5 Millionen Euro für ein Einfamilienhaus einen absoluten Ausreißer darstellt und sich dagegen ein Großteil der Kauffälle zwischen 350.000 und 1.000.000 Euro bewegt. "Auch liegt es im Trend, dass Bestandsimmobilien für einen Abbruch und anschließende Neubebauung erworben werden", weiß Rüdiger Huck.
Trotz Corona verstärkte Nachfrage bei Wohneigentum
Eine besonders spannende Frage war für das Team des Immobilienberichts in diesem Jahr, wie sich die Corona-Pandemie ausgewirkt hat. Nach Auswertung der ersten Trends, stellt der Gutachter-Ausschussvorsitzende fest: "Die Pandemie hat nicht dazu geführt, dass verhaltener am Markt agiert wird. Dabei wird ein starker Markt wie Karlsruhe insbesondere im Bereich der Wohnimmobilien aus heutiger Sicht keinen gravierenden Abwärtstrend zu verzeichnen haben." Eher sei das Gegenteil der Fall, denn "wir haben durch Corona eine verstärkte Nachfrage nach Wohneigentum", sagt Mürle. Ausschlaggebend könnte hierfür sein, dass durch den Lockdown oder vermehrtes Home-Office die häusliche Situation neu bewertet und dabei Platzbedarf festgestellt werde. Ob sich der Trend zum Home-Office auf die Entwicklung bei den Büroimmobilien auswirke, lasse sich nach der Einschätzung von Rüder Huck noch nicht prognostizieren. "Hier spielen mehrere Faktoren eine Rolle, beispielsweise auch, ob ein möglicher Trend vom Großraum- zum Einzelbüro weiteren Bedarf an Flächen erzeugen könnte." Folglich geht der Gutachterausschuss bei seiner Prognose für das erste Halbjahr 2021 von Preissteigerungen im Bereich Wohnen und Industrie-, Produktions- und Logistikimmobilien aus. Im Bereich Handels- und Büroimmobilien erwartet er eine Stagnation. Lediglich für das Segment der Beherbergungs- und Gastronomie-Immobilien prognostizieren die Experten sinkende Preise, hier könnte sich die Corona-Pandemie doch stärker auswirken. Aufgrund einer Umfrage des Deutschen Städtetags in den Mitgliedsstädten ab 50.000 Einwohnern scheint sich zu bestätigen, dass der Immobilienmarkt bisher relativ unbeeinflusst von der "Corona-Krise" geblieben ist. Größeren Einfluss auf die Entwicklungen der Umsätze und Preise haben weiterhin ein zumindest partiell niedriges Angebot bei weiterhin günstigen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel das Zinsniveau.
Ermittlung von Bodenrichtwerten
Die Ermittlung von Preisniveaus und Preisentwicklungen ist indessen nur ein Teil der Aufgaben des Gutachterausschusses. Hinzu kommt die Datenlieferung beispielsweise für die steuerliche Grundbesitzbewertung zum Zweck der Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie zukünftig der Grundsteuer. Darüber hinaus werden auf Anfrage auch Verkehrswertgutachten für bebaute und unbebaute Grundstücke erstellt. Ein aktuelles Projekt ist die Ermittlung von Bodenrichtwerten auf Grundlage von Mietpreisrichtwerten für Erdgeschossladenmieten in der Karlsruher Innenstadt. Hier startet in Kürze eine Datenerhebung mit dem Ziel, ein aktuelles Bild vor der Fertigstellung der Kombilösung zu erhalten. "Das liefert auch Hinweise für einen späteren Vergleich, wie sich die Umgestaltung der Innenstadt auf die Mietpreisentwicklung bei Geschäften ausgewirkt haben könnte", erklärt Marc-Simon Vetter.