Im Rahmen ihrer praktischen Ausbildung werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK), Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) und der Deutschen Bahn final fit gemacht für die Durchfahrt.
„Unser Programm ist straff getaktet, denn an der Tunneleröffnung im Dezember wird nicht mehr gerüttelt. So bilden wir jetzt nahezu täglich in einem achtstündigen Kurs, verteilt auf zwei Fahrzeuge je sechs Kolleginnen und Kollegen aus“, erklärt Oliver Englisch, Ausbildungsleiter bei den VBK. „Jede Fahrkraft, die künftig eine Tram oder Stadtbahn durch die 2,4 Kilometer lange Röhre steuern wird, muss mindestens einmal durch den echten Tunnel fahren“, berichtet Englisch. Am Fahrsimulator in der Gerwigstraße hat das jeder bereits ausführlich geübt. Und auch in der Theorie wurde das Fahrpersonal in vielen Stunden auf die besondere Technik vorbereitet. „Damit haben wir schon 2019 begonnen. Jetzt vor der Praxisfahrt werden wir im Dienstunterricht noch einmal in einem Schnelldurchlauf alles auffrischen“, erklärt der erfahrene Fahrlehrer.
Fahren nach Signalen
Denn der Stadtbahntunnel bringt insbesondere für das Fahrpersonal der VBK etwas ganz neues mit sich. Mit ihren Trams fahren sie innerhalb des Karlsruher Straßenbahnnetzes stets „auf Sicht“. Das bedeutet, sie entscheiden im Rahmen der geltenden Geschwindigkeitsobergrenzen situativ wie schnell sie beispielsweise die Fußgängerzone oder eine enge Straße durchfahren und reagieren entsprechend auf das Verkehrsgeschehen drum herum. „Im Tunnel gibt es keine anderen Verkehrsteilnehmer. Es handelt sich um einen abgeschlossenen Bahnkörper. Da fahren wir nach Signalen“, erklärt Englisch. Die Kollegen der AVG kennen das Prinzip. Außerhalb der Innenstadt werden sie auf den Eisenbahnstrecken immer von Signalen geleitet, die ihnen sagen, ob und wie schnell sie in den jeweils nächsten Streckenabschnitt einfahren dürfen.
Signale hat der neue Stadtbahntunnel einige zu bieten. „Insgesamt 61 Hauptsignale“, weiß Petra Zeh, Fahrlehrerin der VBK, die ebenfalls ausbilden wird. „So viele sind notwendig, damit wir die enorme Leistungsfähigkeit rausholen können. Denn rund alle 90 Sekunden hält eine Bahn an einer der insgesamt sieben Haltestellen.“ Die Höchstgeschwindigkeit im Tunnel liegt bei 60 Stundenkilometern.
In der Röhre kommt aber auch auf die bereits signalgeübten AVG-Kollegen eine Besonderheit zu, die geschult werden muss: Die sogenannte Notbremsüberbrückung. Damit können die Fahrerinnen und Fahrer im Falle eines Notfalls trotz gezogener Notbremse im Fahrzeug bis in die nächste Haltestelle einrollen, um dort bei Bedarf eine sichere Evakuierung der Fahrgäste oder Versorgung Verletzter gewährleisten zu können.
In 6 Minuten durch den Tunnel
Das Programm für den Praxisunterricht wurde in den letzten Wochen von den Fahrlehrerteams mehrfach geprobt. Denn in den acht Stunden soll eben jeder mindestens einmal durch die Röhre fahren – am Vormittag geht’s von Osten nach Westen, am Nachmittag auf den Südabzweig. Die zweite Fahrschulgruppe macht es genau andersherum. Die Fahrt durchs signalgesteuerte Dunkel dauert zwar nur maximal sechs Minuten. Danach müssen die Schüler aber teilweise bis zur nächsten Wendeschleife fahren, um dann wieder in die Gegenrichtung zu starten. „Bei der Planung mussten wir da auch die jeweils aktuelle Baustellensituation im Blick haben“, erklärt Englisch. Neben der Fahrpraxis und dem Testen der Notbremsüberbrückung stehen auch eine Evakuierungsübung und die Begehung der Haltestelle Marktplatz – die größte Haltestelle im Tunnel – auf dem Programm.