Zum Torwächterhaus am Ochsentor in Durlach
Das Torhaus kann als ehemaliger Stammsitz der Familie Gültling bezeichnet werden. Bereits der Ur-Ur-Großvater von mir, Johann Nepomuk Gültling hatte das Haus bewohnt. Das geht aus einem Geburtseintrag hervor, nachdem eine seiner Töchter, Friderike, 1836 in der Adlerstraße 32 (heute Ochsentorstraße 32) geboren wurde. Er bewohnte das Haus mit drei Söhnen und drei Töchtern.
Sein Vater, Karl August von Gültlingen, 1771 in Berneck geboren, war großherzoglich badischer Kammerherr und „Oberst“ der badischen Truppen und wohnte in Durlach. Im Jahr 1812 zog er mit ca. 2.000 Mann bis nach Moskau und kam mit 62 Überlebenden nach Durlach zurück.
Johann Nepomuk von Gültlingen, (mein Ur-Ur-Großvater) wurde wie seine Schwester im Schloss Eichtersheim geboren. Er selbst kam am 8. Mai 1807 auf die Welt. Die Schwester Friderike wohnte später bei ihrer Tante, der Baronin Schilling von Canstatt in Hohenwettersbach. Johann Nepomuk wurde Soldat und arbeitete später im Karlsruher Schloss und im Hoftheater.
Sein Sohn, Friedrich Josef Gültling, geb. am 19. Februar 1841, gestorben am 30. September 1888 verbrachte sein ganzes Leben im Torhaus. Seine Schwester Friderike heiratete in eine der ältesten Durlacher Familien, den Hafnermeister und Sohn eines berühmten Waffenschmiedes, August Bull. Er hatte fünf Söhne und drei Töchter. Da er der einzige männliche Nachkommen mit dem Namen Gültling war, der Söhne hatte, gehen alle Nachfahren mit dem Namen Gültling auf ihn zurück, darunter der Großvater von mir, Philipp.
Nächster Besitzer des Torhauses wurde Friedrichs Sohn Heinrich Gültling. Dieser bewohnte das Haus mit einem Sohn und drei Töchtern. Erbe des Hauses war seine älteste Tochter Mina König, geborene Gültling. Die Familie hatte zwei Töchter. Mina König selbst hatte bis zu ihrem Tod im Torhaus gelebt.
Die Familien, die das Torhaus bewohnten, waren weitgehend Selbstversorger. Neben dem Torhaus gab es zwei Schweineställe, einen Ziegenstall sowie Hasen- und Hühnerställe. Auch Gänse und Enten wurden gehalten. Ein Garten im „Strähler“ sorgte für Obst und Gemüse. Auf ein paar Äckern wurden Kartoffeln, Getreide und Mohn angebaut. So war es bei vielen Durlacher Familien, die als Ackerbürger lebten.
Der auf alten Fotos ersichtliche Torbogen diente in späteren Jahren als Einfahrt für die Handkarren, der dahinter befindliche Raum wurde zur Lagerung des eingefahrenen Erntegutes genutzt. Früher soll sich nach Aussage meines Großvaters hinter dem Torbogen statt des Lagerraumes jedoch eine Arrestzelle aus Zeiten der Torwächter befunden haben.
Ich erinnere mich sehr gut an die bitteren Kriegs- und Nachkriegsjahre 1944 bis 1947, in denen ich zweimal im Jahr an den Schlachttagen bei der Tante Mina (König, geb. Gültling) „Metzelsupp“ mit ein paar geplatzten Würsten in einer Milchkanne abholen durfte.
Aufgezeichnet von Robert Gültling
Hohenwettersbach, 5. April 2019
Bilder
Aktuelle Aufnahme des Gebäudes in der Ochsentorstraße 32. Foto: cg
Alte Aufnahme: Zoll- und Wachhaus beim ehemaligen Ochsentor. Foto: Historischer Verein Durlach