Birne ist sein Lieblingsbaum. Er wächst langsam, sein Holz weist dadurch kaum Risse auf, es ist sehr dicht sowie hart und damit ideal für die Bearbeitung. Außerdem besitzt es eine schöne helle bis rötlichbraune Farbe. – Wenn Edgar Müller über seine Holzskulpturen spricht, sprudelt nur so die Begeisterung für das Material aus ihm heraus.
Viele Durlacher kennen den Bildhauer und seine Werke von zahlreichen Ausstellungen oder von der Durlacher Fastnacht, wenn er mit „Narri-Narro“ auf geschnitzten Holzclogs und mit selbst entworfener Maske vor dem Gesicht einen Hauch alemannischer Fasnet in seine Wahlheimat trägt. Auch verrät sein Dialekt, dass er an der Grenze zur Schweiz in der Nähe von Waldshut aufgewachsen ist. „Oft erkennen mich die Leute außerhalb der Fastnacht erst wieder, wenn ich den Mund aufmache“, schmunzelt Müller. Der gelernte Zimmermann kam über seinen Zivildienst in Belfast (Irland) zu den Holzskulpturen. Die Mooreiche und die Eibe hatten ihn dort bei einem Workshop in ihren Bann gezogen. So sehr, dass er für die Rückreise nach Deutschland kurzerhand einen Holz-Transport organisieren musste. Es folgte ein Architekturstudium in Karlsruhe, doch die Skulpturen ließen ihn nicht mehr los.
Seit vielen Jahren arbeitet Müller nun als Bildhauer mit eigenem Atelier in Weingarten. Seine meist figürlich-abstrakten Skulpturen sprechen durch ihre großteils glatten Oberflächen und weichen Formen den Betrachter sinnlich an. Berühren der Werke ist ausdrücklich erwünscht. Um andere für das Naturmaterial ebenfalls zu begeistern, bietet er neben dem eigenen kreativen Schaffen auch eintägige Workshops an.
„Vormittags wird modelliert, nachmittags geglättet“, fasst Müller den Workshop-Ablauf zusammen. Doch zuallererst muss aus den „Musenschnipseln“, wie er liebevoll seine auf zwei Kisten verteilte Ansammlung von kleinen Holzstücken nennt, die Wahl getroffen werden. Sie sind die Grundlage, aus der die Skulptur entstehen soll. Länglich, flach, mit Rinde, stark gefurcht … mancher entscheidet sich schnell, hat konkret eine Idee, andere lassen sich mit der Bearbeitung treiben. Entwickeln die Skulptur aus dem Bauch heraus. Müller lässt dabei den Teilnehmern ihren kreativen Raum, begleitet sie beim Prozess. Er erklärt den Umgang mit verschiedenen Geräten. Es wird gefräst, umgespannt, wieder gefräst, gefeilt, bis man mit der Form zufrieden ist.
Schleifen, schleifen, schleifen
Danach geht’s ans Glätten. Und dass er da keine Kompromisse zulässt, wird spätestens am Nachmittag klar: 50, 80, 120 – mit diesen Körnungen wird geschliffen. Danach leicht wässern, damit die Fasern sich stellen. Die Zeit des Trocknens wird für die Bohrung des Ständers genutzt. Anschließend geht’s mit 240er- und zuletzt mit 320er-Körnung weiter. Zwischendrin erspäht das geübte Müllersche Auge immer wieder kleine Kerben, die rasch mit Bleistift markiert werden – und nochmals schleifen. „Beim Glätten bin ich genau, denn das macht den Charakter meiner Arbeiten aus. Diese Technik möchte ich an die Teilnehmer weitergeben“, begründet der Bildhauer seine Akribie. Hat man diese in seinem Workshop durchlebt, bekommt man noch mehr Respekt vor seinen Arbeiten – darin sind sich die Teilnehmer des Tages einig. Hat das Wässern zuvor schon den Farbton erahnen lassen, werden nun beim letzten Schritt, dem Ölen, Farbe und Maserung des Holzes erst richtig sichtbar. Nun zeigt sich, dass sich die Schleifarbeit gelohnt hat! Fertig montiert auf den Ständer, können sich die Workshop-Werke sehen lassen – alle drei übrigens aus Birnenholz.