Der Regionalverband Nordbaden von Stadtbild Deutschland e.V. kritisiert die Entscheidungsfindung im abgelaufenen Wettbewerb zum Teil-Neubau der Schlossschule. Es sei unverständlich, warum ein überschaubares Wettbewerbsgremium aus Mitgliedern der Karlsruher Stadtverwaltung und ortsfremden Architekten aus Fellbach und Darmstadt über ein für Durlach wichtiges Bauprojekt – mitten in der Altstadt, gerade im historischen Schlossareal – allein entschieden habe.
Der nun geplante Schlossschul-Anbau ist aus Sicht von Stadtbild Deutschland allenfalls eine teure und möglicherweise nur kurzlebige Detaillösung. Es werde damit weder das Gesamtproblem der sanierungsbedürftigen Schlossschule einerseits noch die bereits bestehende Raumnot des Stadtamts Durlach andererseits berücksichtigt, was man hingegen mit einem repräsentativen Mehrzweckbau in historischem Gewand könnte. Die nun zu erwartenden Umbau- und Folgekosten der Schlossschul-Gebäude wurden noch nicht öffentlich bekannt gegeben, kritisiert Stadtbild Deutschland.
Der auf traditionelle Bauweise spezialisierte Freie Architekt Eckhard Mackh aus Wangen im Allgäu hat alternativ eine Entwurfsplanung für einen neuen Dienerbau als Schul- und Veranstaltungsgebäude vorgelegt. Hierbei wäre auch das Auffinden und Wiedereinbinden von alten Fundamentresten möglich. Der Freundeskreis Pfinzgaumuseum – Historischer Verein Durlach e.V. unterstützt die Wiederaufbauplanung.
„Baubürgermeister Obert hat im BNN-Interview, das am 3. Januar veröffentlicht wurde, selbst konstatiert, dass der Abriss des Dienerbau-Schlossflügels 1964 ein Fehler der damaligen Stadtverwaltung war. Nun findet man es in Karlsruhe aber leider nicht wichtig, dieses Erbe weiter zu berücksichtigen und den einstigen Fehler städtebaulich zu korrigieren. Dies, obwohl man jetzt die Chance dazu hätte“, so der nordbadische Sprecher Robin Cordier von Stadtbild Deutschland. Mit der kürzlichen Siegerkür im Schlossschul-Anbau-Wettbewerb (s. Artikel zum Thema) wurde erneut über die Köpfe der Durlacher hinweg entschieden. „Anstatt die einmalige Chance zu nutzen, im Dialog mit der Bürgerschaft und Institutionen vor Ort das freiwerdende Schlossgelände als Herzstück Durlacher Geschichte gemeinsam – in zur Umgebung passender Formensprache – weiterzuentwickeln, wird erneut einseitig aus Karlsruhe bestimmt, was die vermeintlich beste Lösung für Durlachs Altstadt sei“, meint Cordier weiter. Der in der Presse am Ende erwähnte Hinweis des Preiskomitees auf „bisher gute Erfahrungen“ mit dem siegreichen Fürther Architektenbüro sollte hoffentlich kein wichtiges Kriterium gewesen sein.
Auch wenn man sich wettbewerbstechnisch formal korrekt verhalten hat – unter bürgerlich-demokratischen Gesichtspunkten gesehen – sei es bemerkenswert, dass kein einziger, gewählter Durlacher Ortschaftsrat Mitglied der entscheidenden Preis-Jury der Stadt Karlsruhe und somit beim Wettbewerb abstimmungsberechtigt war. Die Volksvertreter aus Durlach wurden nur noch zum finalen Pressetermin im Karlsruher Schlachthof-Gelände geladen, um das bereits Entschiedene als „Sachverständige“ ohne jedes Stimmrecht zu sichten.
Bürger seien nicht informiert worden
„Die Bürgerschaft wurde über das Vorhaben in dieser sensiblen Lage weder informiert, noch zu Rate gezogen, als man das Projekt ausschrieb“, sagt Ulrich Müller, Kassierer der Durlacher Bürgergemeinschaft und Mitglied der Freien Wähler vor Ort. Man habe erst Anfang des Jahres aus der Presse darüber erfahren, was viele Mitbürger verärgert habe. Müller hatte nach Besprechung im Vorstand angeregt, dass die Bürgergemeinschaft eine öffentliche Vortrags- und Informationsveranstaltung mit Vertretern der Stadt und anschließender Bürgerdiskussion zu dieser und weiteren baulichen Entscheidungen durchführt. Der bereits terminierte Event wurde jedoch „aus zeitlichen Gründen“ überraschend kurzfristig abgesagt.
Der Vorsitzende vom Freundeskreis Pfinzgaumuseum Durlach – historischer Verein Durlach, Günther Malisius, selbst Ortschaftsrat für die FDP, findet es „schade, dass man nicht in der breiten Öffentlichkeit über die verschiedenen Möglichkeiten der Bebauung des Areals diskutiert habe, vor der finalen Entscheidung.“
Um die Rekonstruktions-Alternative aufzuzeigen, veranstaltet der Historische Verein am Donnerstag, 20. April 2017, um 19 Uhr im Bürgersaal des Durlacher Rathauses einen Informationsabend mit Diskussionsforum zu den Wiederaufbauplänen von Stadtbild Deutschland. Hierzu lädt der Historische Verein alle interessierten Bürger sowie die Karlsruher Stadtverwaltung ein.
Entwurfsplanung für neuen Dienerbau als Schul- und Veranstaltungsgebäude
Inzwischen hat der Freie Architekt Eckhard Mackh aus Wangen im Allgäu im Auftrag von Stadtbild Deutschland eine Entwurfsplanung zur Rekonstruktion des einstigen Dienerbau-Gebäudes als Schul- und Veranstaltungsgebäude vorgelegt. Die Vorgaben aus der Karlsruher Wettbewerbsausschreibung wurden dabei bereits weitgehend berücksichtigt. Die Gesamtkosten für den Wiederaufbau in neuer Funktion werden von seinem Architekturbüro auf rund 11,8 Millionen Euro geschätzt. Diese beinhalten eine qualitativ hochwertige Bauausführung, ähnlich dem benachbarten Kavaliersbau der Karlsburg, oder vergleichbarer Bauprojekte wie z.B. in Potsdam.
„Früher hat man nicht für die nächsten 20 oder 30 Jahre, sondern für Jahrhunderte geplant und gebaut. Der Entwurf weist nach, dass sich bereits der ehemalige Dienerbau dank seines neutralen Grundrisses als Gebäude für verschiedene, öffentliche Zwecke gut geeignet habe, gerade auch als Schulbau“, meint der vom Wiederaufbau-Plan überzeugte Architekt Mackh. Für die Funktion als modernes Schulgebäude seien daher nur wenige Eingriffe in die Grundstruktur des alten Planes nötig gewesen. Diese bestehen z. B. in einer neuen Zugangsmöglichkeit im Süden des Gebäudes und den geforderten Übergängen zum Schlossschul-Hauptbau. Mackh ist sich sicher, dass die äußerliche Rekonstruktion zu mehr Geschlossenheit des Areals und somit der Altstadt beitrage, durch die gleichen Gestaltungsgrundregeln wie bei den umliegenden Bürgerhäusern. Die verbesserte Aufenthaltsqualität und Wertigkeit von Wohnquartieren mit intaktem Altstadtflair zeigen indes entsprechende Studien, wie die der TU Chemnitz, zur „Wahrnehmung und Bewertung von Schönheit bei Immobilien“ im Großraum München.
„Eine Städtereparatur, durch Wiederherstellung der ortsbezogenen, unverwechselbaren, architektonischen Form“, so ist sich Robin Cordier von Stadtbild Deutschland sicher, sei auf mittel- und langfristige Sicht an Plätzen mit großer Vergangenheit immer einer einfachen Zweck-Form, dem „oft wiederkehrenden Bauhaus-Kubus mit Flachdach“, zu bevorzugen. Dieser könne ohne Bezug überall stehen. 1986 habe man sich in der Karlsruher Oststadt daher zu Recht für den Wiederaufbau des historischen Schloss Gottesaue als Musikhochschule entschieden, von dem zuvor lediglich Mauerreste erhalten waren. In Durlach befinden sich auch noch sichtbare Reste des alten Gewölbes des Karlsburg-Dienerbaus auf der Rückseite des ehemaligen Wachtgebäudes, hinter dem heutigen Biergarten der Wirtschaft Traube.
„Was heute oft als ‚ modern‘ bezeichnet wird, ist meist nicht innovativ, dafür aber austauschbar. Nach 25 Jahren wird es dann wieder verworfen“, bemängelt Cordier. Einen Beleg hierfür sehe man jüngst mit dem bevorstehenden Abriss des Volksbankgebäudes in der Durlacher Pfinzstraße, das man 1991 auch noch als vorbildlichen Bau gelobt habe. Mangels neuer Nutzungsmöglichkeiten wird es nun wieder aus dem Stadtbild verschwinden.