Kritik an der Unterbringung von Asylsuchenden ebbt nicht ab

Leserbriefe

Leserbrief der Interessengemeinschaft Durlach-Aue vom 13. November 2012.

Regierungspräsidentin Kressl traf sich mit Bürgervertretern zweier Stadtteile Am Donnerstag, dem 08. November 2012, trafen sich Vertreter der Interessengemeinschaft Durlach-Aue und des Bürgervereins Nordstadt mit der Regierungspräsidentin Frau Nicolette Kressl und dem zuständigen Abteilungspräsidenten Herrn Manfred Garhöfer zum Gespräch. Anlass ist der Informationsbedarf der betroffenen Stadtteile zum Thema Dezentralisierung der Flüchtlings-Erstaufnahme und die Kritik an der schlechten Unterbringung und fehlenden Betreuung der Asylsuchenden.

Die Menge an täglich neu eintreffenden Asylsuchenden ist für das Regierungspräsidium Karlsruhe jeden Tag eine neue Herausforderung. Die Landes Aufnahme Stelle in der Durlacher Allee 100 ist zu rund 150% ausgelastet. Zudem beherbergt sie noch das Referat 85, die Zentrale Bußgeld Stelle für Autobahnen, mit rund 300 Mitarbeitern. Ein Umzug der ZBS ist seit Frühjahr 2012 in Planung, jedoch sei es ebenfalls schwer, geeignete neue Räue für diese Abteilung zu finden, so die Regierungspräsidentin. Eine Verlegung der Bußgeldstelle böte sofort rund 300 neue Aufnahmeplätze.

„Wir wissen morgens noch nicht, wo wir abends die täglich neu zuströmenden Asylsuchenden, im Schnitt 40 pro Tag, untergebracht haben werden“, so Mitarbeiter der LASt. Über ein adäquates Ausweich- bzw. Pufferquartier verfügt die Landesaufnahmestelle nicht, in der Vergangenheit wurden eher Kapazitäten abgebaut . Aus diesem Grund sah sich das Regierungspräsidium Karlsruhe gezwungen, „Außenstellen der LASt“ in verschiedenen Stadtteilen Karlsruhes zu errichten . Dazu mietet das Regierungspräsidium privaten Wohnraum an. Geeigneten Wohnraum anbieten kann jeder Eigentümer, zudem erweist sich diese Art der Vermietung als sehr lukrativ, wie am Rechenbeispiel Memeler Straße 1 in Durlach-Aue zu ersehen ist: Die ursprünglich 11 Fremdenzimmer des ehemaligen Gasthofs „Goldener Adler“ wurden vom Vermieter mit 86 Schlafplätzen ausgestattet (Kosten für die Möbelierung übernimmt das RP). Verrechnet wird jedoch nicht nach Quadratmeterzahl sondern nach Personen. Im Schnitt erhält der Vermieter 10,- € pro Nacht und Person. Genaue Zahlen nannte Abteilungspräsident Garhöfer jedoch nicht , das sei Verhandlungssache und liege im Ermessen des zuständigen Regierungsdirektors.

Auf die Frage der IG Durlach-Aue, ob es sich nicht als sinnvoller erweisen würde, in ein zweites zentrales Puffer- bzw. Ausweichquartier zu investieren, das sich bereits nach kurzer Zeit kostentechnisch amortisieren und überdies den enormen Druck aller Betroffenen abbauen würde, verwies Abteilungspräsident Garhöfer an seine Kollegen des Finanzministeriums, die für Ankauf von Immobilien zuständig seien. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Unterbringungen gehöre nicht zum Aufgabengebiet des Referat 8, ihre Aufgabe bestünde darin, die täglich eintreffenden Flüchtlinge unterzubringen.. Auf die Frage der Interessensverteter Aues, ob es nicht Unterkunftsmöglichkeiten gäbe, die in Landeseigentum stehen und für diesen Zweck besser geeignet wären als das jetzige Vorgehen, immer mehr Wohnraum von privater Seite anzumieten, und mit dieser Vorgehensweise immer weiter in eine kurzfristige maximal gewinnorientierte Privatwirtschaft zu investieren, anstelle die Steuergelder in einer längerfristigen zentrale Lösungen anzulegen, betonte Präsidentin Kressl, dass es nach ihrem Kentnissstand keine Objekte in Landeseigentum gibt, die für diesen Zweck geeignet sein könnten. Überdies sei es der ausdrückliche Wunsch der Stadt Karlsruhe, weitere Aufnahmeeinrichtungen in die Stadtteile zu verlagern.

Ob beispielsweise die Erweiterung der LASt in Form eines Containerdorfs an geeigneter Stelle, das von Ausstattung und Wohnqualität das Niveau der momentan genutzten Räumlichkeiten nicht unterbieten würde, eine prüfenswerte mittelfristige Zwischenlösung für das Regierungspräsidium darstellen könnte, wurde von Bürgerseite angefragt. Vorteile sehe man in der Wirtschaftlichkeit, der Sozialverträglichkeit. Kurze Wege würden die Versorgung erheblich erleichtern, so auch die Mitarbeiter der LASt, Brandschutzsicherung sei optimiert und sogar ein wenig Intimsphäre gewährleistet. Laut Präsidentin Kressl entspreche dies jedoch nicht den Vorstellungen der Stadt Karlsruhe. Hingegen habe man anderweitig positive Erfahrungen mit der Dezentralisierung gemacht, so dass man auch bei der Flüchtlingsunterbringung dezentral arbeiten wolle. Detaillierte Angaben in welcher Weise sich diese positiven Aspekten in der Vergangenheit manifestiert haben, blieben aus.

Leider haben auch weder Sozialbürgermeiser Dr. Martin Lenz noch die OB-Kandidaten Ingo Wellenreuther und Dr. Frank Mentrup, die in öffentlichen Briefen (www. IG-Durlachaue.de) um Positionierung gebeten worden waren, zu diesem Thema bislang geantwortet.

Weiter führte Regierungspräsidentin Kressl an, dass bei der LASt keine Freifläche zur Verfügung stehe, um eine Erweiterung vornehmen zu können. Sollte dem RP jedoch ein konkreter Vorschlag unterbreitet werden, bzgl. adäquater Stellfäche in Karlsruhe, der die kurzfristige Errichtung eines Containerdorfes zuließe, würde selbstverständlich auch diese Möglichkeit geprüft werden, so Abteilungspräsident Manfred Garhöfer.

Konkret geplant von Seiten des Regierungspräsidiums ist, wie bereits berichtet, der Umbau eines in Landeseigentum befindlichen Gebäudes in Rheinstetten-Forchheim mit ca. 150 Betten. Wann dort eingezogen werden kann, blieb offen. So wie auch der weiter in Planung stehende Umzug der Zentralen Bußgeld Stelle.

Verantwortlich für die momentan schwierige Situation seien überdies auch die Gemeinden und Kommunen, die sich sehr viel Zeit ließen, ihre ihnen zugeteilten Asylbewerber abzurufen. Würden die Landkreise rascher agieren, so hätte Karlsruhe weniger Probleme, klagte Präsidentin Kressl. Die Bürgervertreter zeigten jedoch wenig Verständnis für diese Art der Argumentation, denn die allgemeine momentane Situation ist nun hinlänglich bekannt und es ist seit Änderung der Visumspflicht sowie seit Anhebung des „Taschengeldparagraphen“ für Asylsuchende in Deutschland, ab Juli diesen Jahres deutlich geworden, dass der Zustrom nicht abreißen, sondern weiter steigen wird, sollte sich an der Gesetzeslage nichts ändern. Die Bürger sind der Auffassung, dass es an der Zeit wäre, bewusst vorrausschauend zu agieren, anstelle täglich gezwungen sein zu müssen, zu reagieren und immer neue Notunterkünfte über das gesamte Stadtgebiet zu verstreuen.

Daraus resultieren weitere Probleme, die von den Vertretern des Bürgervereins Nordstadt explizit angesprochen wurden. Überbelegung der Räumlichkeiten, nicht angemessene Wohnverhältnisse, Sicherheitsprobleme, fehlende Aufenthalts- und Spielmöglichkeiten der Kinder, keine Betreuung der Asylbewerber vor Ort, keine Ansprechpartner vor Ort für Anwohner. Die Vorgehensweise des Regierungspräsidiums, überbelegte und unbetreute Unterkünfte in den Stadtteilen zu schaffen – ohne während des Betriebs mit den Anwohnern zu kommunizieren und auch deren Belange zu berücksichtigen – ist in den Augen der Anwohner nicht tragbar. Dringend werden Kompromisse bei der Auswahl und Belegung der Gebäude benötigt aber auch Konfliktmanagement und Betreuung vor Ort sind nach Ansicht der Bürger unerlässlich. Der Verweis von Präsidentin Kressl auf fehlende Raum-Alternativen und mangelnde personelle Ressourcen ist der eigentliche Skandal.

Auf die Frage, weshalb in Punkto Ausstattung und Fassungsverögen, der privaten Unterkünfte keine Prüfung durch das Bauordnungsamt und die Brandschutzsicherung Karlsruhe im Vorfeld, vor Belegung der Wohnungen stattfindet, wie es der gesetzliche Weg vorgibt (im Fall Memeler Straße 1 fand eine Prüfung erst Monate später, nach Anzeige der Anwohner statt!), bzw. weshalb nicht eigene Mitarbeiter des RPs Referat 2 Baurechtswesen bei der Prüfung auf Eignung der Unterkünfte im Vorfeld hinzugezogen werden, erwidert Präsidentin Kressl, dass dies grundsätzlich so geschehe. So scheint der Fall Ostmarkstraße 14a und Memeler Straße 1 in Durlach-Aue wohl nur eine Ausnahme gewesen zu sein. Die Anwohner Aues sehen das anders: Die Einrichtung von Gemeinschafts­unterkünften in bis dahin anderweitig genutzten Einheiten wie Beherbergungsstätten, Wohnungen u. ä. stellt eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar. Insofern müssen auch die Vermieter dieser Gebäude aufgefordert werden, einen Bauantrag im Vorfeld zu stellen. Im Baugenehmigungs­verfahren muss den Angrenzern und Nachbarn die gesetzlich vorgesehene Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und im anschließenden Verfahren die baurechtliche Zulässigkeit der Einrichtung geprüft werden. Auch die Anwohner aus der Nordstadt können auf jeden Fall nicht nachvollziehen, wie vom RP für das Gebäude in der Delawarestraße eine Unterbringung von bis zu 250 Personen als angemessen erachtet werden kann. Gerade im (extrem) Fall von solch hoher Belegungszahlen auf engstem Raum sind Prüfung und Einhaltung gesetzlicher Vorgaben unabdingbar, so die Anwohner.

Die sonst sehr sachliche Gesprächsrunde, die frei von Polemik war und als Plattform dienen sollte zur konstruktiven Erörterung der aktuellen Problemsituation, erhielt einen unangenehmen Beigeschmack, so die Vertreterinnen der IG-Durlach-Aue, als Regierungspräsidentin Kressl die oben dargelegten Bedenken der Anwohner mit der wenig sachlichen Äußerung zurückwies: „seien Sie doch ehrlich, Sie wollen doch nur nicht diese Leute als Nachbarn haben“...

Dr. Dirk Schweinberger
Leonie Heyder
Elke Hönig
Die Verfasser sind Sprecher der IG-DurlachAue

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